ABMAHNUNG

Im Arbeitsrecht ist eine Abmahnung in der Regel notwendige Voraussetzung einer verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung.

Soll einem Arbeitnehmer wegen mangelnder Leistung oder unakzeptablen Verhaltens gekündigt werden, so ist grundsätzlich eine vorherige Abmahnung erforderlich. Sie darf nur ausgesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer objektiv gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen hat. Aus Gründen der Beweissicherung bietet es sich an, die Abmahnung schriftlich zu verfassen und dem Arbeitnehmer im Beisein von Zeugen zu übergeben. Zu den unverzichtbaren Voraussetzungen einer Abmahnung gehört neben der Rüge eines ganz genau zu bezeichnenden Fehlverhaltens auch der Hinweis auf die im Wiederholungsfall drohende Bestands- oder Inhaltsgefährdung des Arbeitsverhältnisses. Die Abmahnung muss dem Arbeitnehmer demnach eindringlich vor Augen führen, dass er im Falle einer erneuten Pflichtwidrigkeit mit einer der nachfolgenden Maßnahmen rechnen muss: Versetzung, Änderung des Arbeitsvertrages, Widerruf einer Leistungszulage, Kürzung von freiwilligen Vergütungsbestandteilen, fristgemäße oder fristlose Kündigung. Für die Ausübung des Abnahmerechts gibt es keine Regelausschlussfrist (BAG, Urteil vom 15.01.1986, in: Betriebsberater 1986, Seite 943). Allerdings dürfte das Verstreichenlassen einer Zeitspanne von mehr als fünf Monaten zum Verbrauch des Rügerechts führen (so jedenfalls das LAG Köln, Urteil vom 28.03.1988, in: Der Betrieb 1988, Seite 1170). Bei unberechtigten Abmahnungen hat der betroffene Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Diesen Anspruch kann er auch gerichtlich durchsetzen. Hierbei ist zu beachten, dass die bloße Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte oftmals unzureichend ist. Damit ist nämlich noch nicht gesagt, was mit der angeriffenen Abmahnung zu geschehen hat. Da die Aufbewahrung an einem anderen Ort nach dem Begriff der „materiellen Personalakte“ keine Entfernung darstellt, muss der Arbeitgeber die unberechtigte Abmahnung nach zutreffender Rechtsansicht vernichten! Im Einzelfällen kann es darüber hinaus auch ratsam sein, vom Arbeitsgericht feststellen zu lassen, dass der Inhalt der zu (vernichtenden) Abmahnung nicht zur Begründung späterer arbeitsrechtlicher Maßnahmen gegen den Arbeitnehmer herangezogen werden darf.

Diese weit verbreitete Annahme, vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung, müsse der Arbeitnehmer mindestens dreimal abgemahnt worden sein, ist übrigens falsch! Bei besonders schwerwiegenden Verstößen gegen die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, z.B. bei einem Diebstahl zu Lasten des Arbeitgebers, kann sogar ohne eine vorangegangene Abmahnung fristlos gekündigt werden. Bei weniger schwerwiegenden Pflichtverletzungen, etwa im Leistungsbereich, ist eine bestimmte Anzahl von Abmahnungen nicht gesetzlich vorgeschrieben. Da es allerdings für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes gemäß § 1 Absatz 2 KSchG darauf ankommt, dass eine sog. „negative Zukunftsprognose“ besteht, kann es je nach Schwere der Pflichtverletzung nicht ausreichend sein, wenn der Arbeitnehmer nur einmal abgemahnt wurde. Dies bedeutet, dass die Zahl der erforderlichen Abmahnungen immer von den Gegebenheiten des Einzelfalls abhängig ist.

Grundsätzlich gehen die Gerichte zunehmend davon aus, dass ein Arbeitgeber zunächst zum Ausspruch einer Abmahnung verpflichtet ist und erst im Wiederholungfall mit einer (fristlosen) Kündigung reagieren darf. Dies entspricht dem gesetzlichen Leitbild, denn in § 314 Absatz 2 BGB ist im Zuge der Schuldrechtsreform für Dauerschuldverhältnisse das Erfordernis einer erfolglosen Abmahnung vor jeder Kündigung aus wichtigem Grund festgeschrieben worden. Das Kündigungsschutzrecht wird vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht. Eine Abmahnung kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer selbst die Störung des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft beheben kann und die Abmahnung geeignet ist, die vertragsgerechte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu bewirken. Dass im Einzelfall die Abmahnung nicht das ausreichende Mittel zur Wahrung der Interessen des Arbeitgebers sein kann und dass es Ausnahmen gibt, in denen wegen der Art und der Auswirkung der Vertragsverletzung das Erfordernis der Abmahnung entfällt, zum Beispiel bei ausgesprochen schwerwiegenden Pflichtverletzungen eines Arbeitnehmers in einer Vertrauensposition, bedeutet noch lange nicht, dass bei vertrauensbelastenden Verhaltensweisen des Arbeitnehmers von vornherein eine Abmahnung für entbehrlich gehalten werden kann. Instruktiv zum Erfordernis einer Abmahnung ist die sehr ausführliche Urteilsbegründung des Arbeitsgerichts Hamburg (Urteil vom 02.10.2000 - 21 Ca 233/00). Dort weist das Arbeitsgericht zutreffend darauf hin, dass im Einzelfall die Aufrechterhaltung von belasteten und gestörten Beziehungen produktiver sein kann als ihr Abbruch. In der Entscheidung heißt es hierzu wörtlich: „Vertrauen ist kein Feststoff, der entweder heil dasteht oder zerbrochen ist. Vertrauen ist eine Haltung, die sich von konkreten Schritten nährt. Besonnene Arbeitgeber wissen, dass sich Vertrauen entwickeln kann und wieder herstellbar ist.“